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Reisebericht 08
IM STURM AUF EINER FELSENINSEL
Im Sturm auf einer FeIseninsel Franziska und Rainer Ulm erlebten Abenteuer in der Türkei Nicht immer ist das Meer so ruhig, Franziska und Rainer Ulm aus Lichtenau mussten in ihren Faltbooten auch schon ums Überleben kämpfen. In Briefen an die FLZ erzählen sie regelmäßig von ihren Abenteuern. LICHTENAU- Seit beinahe elf Monaten sind Franziska und Rainer Ulm aus Lichtenau mit Faltbooten unterwegs, um ganz Europa zu umrunden. Wie berichtet, hat sich das Paar mit der 10 OOO-Kilometer-Tour auf dem Wasser einen Lebenstraum erfüllt. Die vergangenen Wochen verbrachten die beiden in der Türkei, in diesen Tagen werden sie Griechenland erreichen. Erneut haben die Ulms nun einen Brief an die Fränkische Landeszeitung geschrieben, in dem sie einige Endrücke von ihrem großen Abenteuer schildern.

Nun haben wir nach 312 Tagen und 3752 Paddel-Kilometern unsere Endstation in der Türkei erreicht. Die Wintermonate waren nicht einfach für uns, da wir immer wieder schlechtes Wetter hatten. Und so freuen wir uns umso mehr, dass der Frühling naht.

Hartes Stück Arbeit

Es war ein hartes Stück Arbeit, bis in die türkische Stadt Turgutreis zu kommen. Kurz vor der Halbinsel Bodrum haben wir eine große Bucht überquert. Um 16 Uhr waren wir dann in der Mitte der Bucht und vor uns lag eine Insel - sozusagen ein riesiger Felsen und obendrauf eine Schicht Gras. Wir umpaddelten die Insel und beteten, dass es eine Möglichkeit für uns geben würde zum Aussteigen. Denn die 30 Kilometer bis zum Festland würden wir bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht mehr schaffen.
Tatsächlich fanden wir eine etwas flachere Stelle, wo wir die Boote ausladen konnten. Dort war auch genug Platz, um die Boote aus dem Wasser zu heben und sie auf den schrägen Felsen zu hieven. Wir spazierten auf der ganzen Insel umher. Nur ein einziger Olivenbaum hatte sich hier festgesetzt, ansonsten gab es nur Möwen.
An einer kleinen Anhöhe konnten wir auch unser Zelt aufhauen. Arn nächsten Morgen wollten wir weiter - doch wir hatten keine Chance. Eine Schlechtwetterfront kam auf, es regnete und ein heftiger Wind ließ uns
nicht entkommen. Vielleicht wird es ja am Nachmittag besser, hofften wir. Doch je später es wurde, desto schlimmer wurde das Wetter, es gab ein starkes Gewitter, aber die größten Probleme machte der Wind mit acht bis zehn Bufor- das sind etwa 80 bis 100 Stundenkilometer. Er pfiff aus Norden in unser Zelt, das auf der Anhöhe stand und so dem Wind voll aufgeliefert war. Wir mussten uns anschreien, um uns zu verständigen, so laut war es im Zelt.
Gewitter und Sturm waren nicht nach einer Stunde zu Ende, sondern dauerten die ganze Nacht hindurch. Alle zwei bis drei Stunden mussten wir raus, um die Heringe vom Zelt zu überprüfen und die Schnüre nachzuspannen. Hoffentlich können wir morgen weiter, dachten wir uns. Daraus wurde aber nichts, denn wir hatten zwar Sonnenschein, doch der Wind hatte nur wenig nachgelassen und das Meer hatte einen Wellengang von drei bis vier Meter. Das Beladen der Boote an dieser Felsinsel war unmöglich. Obwohl unser Zelt in einer Entfernung von etwa 30 Metern zu den Klippen stand, spritzte die Gischt bis zu uns, so dass das Zelt am nächsten Tag ganz weiß war vom Salz und wir es in Krusten abmachen konnten. Gut, dass wir wie immer genug Wasser und Nudeln dabei hatten. Man weiß ja nie, wie lange man irgendwo festsitzt . . .

Nach zehn Tagen hartem Kampf gegen Wind und Wellen kamen wir dann endlich in Turgutreis, der letzten Station in der Türkei, an. Diese Stadt werden wir nicht so schnell vergessen, da wir hier etwas ganz Besonderes erlebt haben: Hier wurden wir vom Bürgermeister Ali Server Yazgan, vom Tourismusdirektor und von Reportern empfangen, und am Abend wurden wir zu einem sehr guten Abendessen eingeladen.

Ankunft beim Lammfest

Etwas Besonderes war auch, dass wir gerade ankamen, als das Lammfest- genannt Bayram - stattfand. Da es in der Türkei wirtschaftliche Probleme gibt und die Inflation bis zu 40 Prozent beträgt, hatte sich der Bürgermeister entschlossen, 100 Schafböcke für seine Gemeindearbeiter zu kaufen. Wir wurden eingeladen, bei der Verteilung zuzusehen. Die Menschen waren echt glücklich, denn normalerweise können sie sich bei der derzeitigen Lage kein Schaf leisten. Die wirtschaftliche Krise in der Türkei mag zwar für den Urlauber von Vorteil sein, doch für die Menschen hier ist sie eine Katastrophe; viele wissen nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen.
Am Montag begann das Opferfest, und man sah überall die Leute vor den Häusern ihre Schafe schlachten. Ist schon etwas makaber, wenn man durch die Gassen geht und da und dort liegen Schafsfüße für die Hunde auf der Straße herum. Es ist eine alte Tradition, wie die Schafe geschlachtet werden. Erstens darf es nur ein Moslem tun, der dazu ein Gebet spricht. Zweitens wird das Schaf dann in drei gleiche Teile geteilt: der erste Teil ist für die Familie, der zweite Teil für die Verwandtschaft, und der dritte Teil wird an die armen Leute verteilt.

Jeder Bürger kann mitbestimmen

Hier in Turgutreis haben wir auch erlebt, wie demokratisch der Bürgermeister mit seiner Gemeinde umgeht. Alles wird öffentlich besprochen mit einem Gemeinderat, und jeder Bürger darf teilnehmen und mitabstimmen. Am weltweiten Frauentag verschenkte der Bürgermeister 500 Rosen an die Frauen der Stadt.
Die Stadt hat ihren Namen übrigens von dem Admiral Turgut Reis, der ein berühmter türkischer Seemann war.
Sie ist ein echter Geheimtipp von uns, denn sie bietet neben der Gastfreundschaft viel Sonne, frische Luft, saubere Strände und viele Fische... Hier verbindet sich die Seele der Ägäis mit dem Mittelmeer: Viele kleine Inseln, und ein traumhaftes Panorama. Die Sonne geht hinter der Insel Kos unter, die nur zehn Kilometer entfernt liegt.
Nach sechs Monaten Türkei fällt es uns schwer, sie zu verlassen. Wir haben das Land und die Leute lieb gewonnen und können nur „Danke" sagen für die für die Menschen hier selbstverständliche Gastfreundschaft. Dennoch freuen wir uns schon sehr auf die Abenteuer in Griechenland!